Kieler Engagement zeigt Gesicht

Kieler*innen packen mit an, wenn andere Hilfe benötigen und Gemeinschaftssinn gefragt ist. Für den Zusammenhalt unserer Stadt ist das von unschätzbarem Wert.

Mit einer digitalen Plakat-Aktion würdigen die Landeshauptstadt Kiel, das nettekieler Ehrenamtsbüro und die Ströer Deutsche Städte Medien GmbH das freiwillige Engagement der Kieler*innen. An dieser Stelle stellen wir die Gesichter der Aktion vor.


Holger Weidmann & Bodo Quante
AG Wanderfalkenschutz

Bodo Quante und Holger Weidmann engagieren sich ehrenamtlich bei der AG Wanderfalkenschutz in Schleswig-Holstein.

Bodo Quante mit einem Stofffalken auf dem Arm. Neben ihm steht Holger Weidmann.

Warum engagiert Ihr Euch?

Schon immer waren Menschen von Greifvögel, besonders von Adlern und Wanderfalken fasziniert. Das fand seinen Niederschlag zum Beispiel in der Heraldik und der Mystik. Wanderfalken sind, wie auch anderswo, in Schleswig-Holstein ausgerottet worden und galten ab 1965 hier als ausgestorben.

Als durch konkrete Schutzmaßnahmen in Süddeutschland der Bestand wieder stieg und ein erstes Paar 1995 auf einer Schiffsbake auf Süderoogsand siedelte, begann die AG Wanderfalkenschutz Schleswig-Holstein damit, die Ansiedlung im Lande über Nisthilfen zu fördern. Das war erforderlich, weil sie keine eigenen Nester bauen und aus Angst vor Verfolgung nur in großer Höhe brüten konnten. Dies gilt auch für andere Greifvogelarten. Daher benötigen sie unsere Unterstützung. Insbesondere, da in letzter Zeit das sinnlose Töten von Greifvögeln durch vergiften, erschließen oder durch Fallen wieder zugenommen hat.

Was genau tut Ihr und wie beeinflusst das Engagement die Gesellschaft?

Wir sind nur ein kleiner Teil von vielen engagierten Menschen in ganz Schleswig-Holstein, die sich zur AG Wanderfalkenschutz zusammengeschlossen haben und die in ihrer Freizeit erfolgreiche Arbeit für den Wanderfalkenschutz speziell sowie den Artenschutz allgemein leisten.

Wir suchen nach potenziellen Brutplätzen, werben bei Bauwerkseigner*innen für die Installation einer Nisthilfe, die wir entweder selber anbringen oder unsere Unterstützung anbieten.
Wir beobachten und bewachen die Nester in freier Natur. Stürzt ein Jungtier bei seinem Erstflug ab, ist dies in freier Natur eigentlich kein Problem. Aber in der Stadt wird es durch die Autos gefährlich. Dann bringen wir die Jungtiere möglichst schnell wieder zu ihren Elterntieren. Und wir betreiben viel Aufklärungsarbeit.

In Kiel haben wir das große Glück, dass die Stadtverwaltung bereits vor vielen Jahren erlaubt hat, einen Nistkasten im Rathausturm einzurichten. In Zusammenarbeit mit dem Umweltschutzamt betreuen wir diesen Kasten. Von 2016 bis 2021 schlüpften dort neun Wanderfalken. Leider verschwand das Wanderfalkenpaar im Herbst 2021 spurlos. Ein Jahr später bezog ein Turmfalkenpaar den Nistkasten. 2022 schlüpften dort vier Falken, in diesem Jahr ziehen die Alttiere fünf Küken groß. Das ganze unter Beobachtung der Bevölkerung, denn im Nistkasten befindet sich eine Webcam, die uns Einblicke in das Familienleben der Falken unter www.kiel.de/falken ermöglicht.

Aber auch die Stadtwerke, die Deutsche Funkturmgesellschaft (DFMG) und andere Kieler Institutionen haben bereits Nistkästen aufgestellt und unterstützen damit unsere Arbeit.

Der Mensch schützt, was wer liebt und schätzt. Und wir glauben, dass wir bei vielen Menschen das Bewusstsein für die Bedeutung des Artenschutzes geweckt haben. Das müssen wir ausbauen, denn Artenschutz bedeutet nicht nur Schutz eines einzelnen Brutpaares, sondern macht nur Sinn, wenn wir auch die natürlichen Lebensräume erhalten und ausbauen und eine in sich stabile Population erreichen. Da ist noch viel Luft nach oben.

Was macht das Engagement mit Euch? Glücksmomente? Besondere Erlebnisse?

Holger: Bei dem Engagement geht viel Zeit für Beobachtung drauf. Das schafft man nur, wenn auch die Familie mitspielt und das Hobby teilt. Als nach Besiedlung der Westküste mit einigen Paaren, der erste Wanderfalke in Kiel beobachtet wurde, bereisten wir Kiel, um Ausschau nach geeigneten Brutplätzen zu halten. 

Die erste Wahl fiel auf den Fernsehturm. Eine Nisthilfe anzubringen, war bei der freundlichen Unterstützung der DFMG kein Problem. Diese wurde auf sofort angenommen. Die Wanderfalken zogen noch im gleichen Jahr drei Junge auf. Als wir am 16. Mai 2008 bei herrlichstem Wetter und dann mit freiem Blick über die Stadt und die Förde die Jungen zur Wiedererkennung beringten, war das ein einmaliges und unvergessenes Erlebnis.


Bodo: Ich bin ja bei Holger und den Mitgliedern der AG Wanderfalkenschutz noch in der „Lehre“. Ich lerne jeden Tag etwas dazu und profitiere insbesondere von dem unglaublichen Fachwissen des AG-Gründers Uwe Robitzky.

Auch wenn ich als Geograph und Landschaftsökologe das Engagement für die Falken eigentlich sachlich-wissenschaftlich betrachten müsste, fiebere ich natürlich während der Aufzucht mit. Wenn die Jungfalken dann den Rathausturm verlassen, bin ich auf der einen Seite erleichtert, auf der anderen Seite traurig, denn ich habe sie ja vom Schlupf bis zum Ausfliegen begleitet und eine Beziehung zu ihnen aufgebaut.

Und ich empfinde Wut über die Menschen, die diesen wunderbaren Vögeln nachstellen und leider oft ungestraft davonkommen.

Ein besonderes Erlebnis hatte ich 2020: Zwei junge Wanderfalken waren bei ihrem Erstflug in der Kieler Altstadt „abgestürzt“. Im Wald wäre das kein Problem, in der Stadt aber schon. Das hatte ich zunächst gar nicht bemerkt. Mir war nur aufgefallen, dass das Weibchen aufgeregt war und etwas zu suchen schien. 

Erst zwei Tage später erfuhr ich, dass die beiden Jungfalken ins Tierheim Uhlenkroog gebracht wurden. Holger und ich haben sie in einer Transportbox abgeholt und zurück auf den Turm gebracht. Als die beiden Jungfalken die Rufe ihrer Mutter hörten, gab es kein Halten mehr. Als wir die Box öffneten, hielten sie erst inne. Als sie ihre Mutter entdeckt hatten, stürmten Sie direkt auf sie zu und flogen noch über eine Stunde gemeinsam mit ihr laut keckernd um den Rathausturm.

Was wünscht Ihr Euch für die Zukunft der Kieler Stadtgesellschaft/der Kieler*innen bezogen auf das Thema Engagement?

Wer kann, sollte sich ebenfalls engagieren. Egal in welchem Bereich. Die staatlichen Institutionen haben nicht die Möglichkeit und Mittel alles zu regeln. Auch kleine Maßnahmen können Großes bewirken. Lasst Euch dabei nicht entmutigen. Manchmal braucht Ihr einen langen Atem, müsst an viele Türen klopfen, zahlreiche Überzeugungsgespräche führen, Frust und Rückschläge einstecken. Aber Euer Engagement zahlt sich letztendlich immer aus.

Uns hilft auch sehr, wenn Ihr uns wir über eure Wanderfalkenbeobachtungen informiert ().

 

Danke!

Kontakt

nettekieler Ehrenamtsbüro
Andreas-Gayk-Straße 31, Eingang A
24103 Kiel
0431 901-5502

  Weitere Engagement-Gesichter
 

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